Die Abkühlung der Wirtschaft
Beeinflusst durch die schlechte Wirtschaftsentwicklung in der Euro-Zone ist das Wirtschaftswachstum auch in der Schweiz im zweiten Quartal auf 0 Prozent (nach 0,9 % im Vorquartal) gesunken. Im Handel sind es vor allem der Markt in China, aber auch in Europa, die zu schwächeren Abschlüssen führen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) meldet einen Rückgang der Wertschöpfung der Industrie bei erneutem Anstieg des Dienstleistungssektors, der wohl durch die Tourismussaison positiv beeinflusst wird. Der Bausektor und Bauinvestitionen sind zurückgegangen, einen erheblichen Rückgang gibt es bei den Ausrüstungsinvestitionen. Für das Gesamtjahr 2023 prognostiziert das SECO jetzt einen Zuwachs des Wirtschaftswachstums von 1,3 Prozent, für 2024 aber statt 1,5 nur noch 1,2 Prozent.
Die Zahlen im Bausektor sind aus meiner Sicht wenig erbaulich. Wir brauchen in einer solchen Phase den Mut zu einer klaren und langfristigen Vision. Es gilt Chancen in der Not zu erkennen. In einem alten Sprichwort heisst es: «Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern – die anderen Windmühlen!»
Der Privatkonsum ist für die Schweizer Wirtschaft eine wichtige Stütze.
Rückgang auf Arbeitsmarkt und Konsumnachfrage erwartet
Die gute Lage am Arbeitsmarkt und die anhaltende Nachfrage im privaten Konsum haben sich, begleitet von einer positiven Entwicklung des Dienstleistungsbereiches, vor allem saisonal bedingt, zu einer Stütze der ansonsten schwächelnden Wirtschaft entwickelt. Allerdings befürchtet man, dass auch Arbeitsmarkt und Konsumnachfrage 2024 zurückgehen werden und eine etwas höhere Inflation (1,9%) das Wirtschaftsgeschehen negativ beeinflussen wird. Zusätzliche Risken könnten der Energiemarkt, die weitere Negativentwicklung wichtiger Auslandsmärkte und die Zinssituation darstellen.
Die Abkühlung der Wirtschaft in Europahemmt auch das Wachstum in der Schweiz.
Der Beschluss der Schweizer Nationalbank (SNB) vom 21. September, den Leitzins mit 1,75 Prozent unverändert zu belassen, hat Beobachter überrascht. Aber die Inflation sei zuletzt mit 1,6 Prozent im Zielbereich gelegen und lasse daher die Beibehaltung der Zinsen zu. Eine neuerliche Anhebung der Leitzinsen im Dezember wird von der SNB nicht ausgeschlossen.
Auch in der Schweiz bleiben die höheren Zinsen nicht ohne Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. Die UBS sieht in einer weltweiten Beurteilung Zürich in einer Immobilienblase, also mit einer anhaltenden erheblichen Überbewertung von Preisen für Eigenheime. Aber auch in anderen Schweizer Städten, in denen die Überbewertung gesunken sei, könnten Immobilienwünsche von Konsumenten trotz tieferer realer Preise und gestiegener Löhne mit den erheblich gestiegenen Hypothekarzinsen kaum finanziert werden.
Auch in der Schweiz droht mit den steigenden Hypotheken eine Immobilienblase.
Wirtschaft kühlt in Europa weiter ab
In Europa gehen die Voraussagen für das Wirtschaftswachstum nach unten: In ihrer Mitte September veröffentlichten, aktuellen Prognose sieht die EU-Kommission nur noch ein Wachstum von 0,8 Prozent im Euro-Raum. In der vorangegangenen Prognose waren noch 1,1 Prozent erwartet worden.
Auch für die gesamte EU werden nur noch 0,8 Prozent BIP Wachstum erwartet, nach noch ein Prozent in der Frühjahrsprognose. Für 2024 werden nun 1,4 Prozent (statt bisher 1,7%) und im Euroraum 1,3 Prozent statt bisher 1,6 Prozent prognostiziert.
Die EU-Kommission korrigierte die Prognose fürdas Wirtschaftswachstum für das kommende Jahr nach unten.
Die Inflation sollte sich nach der neuesten Prognose abschwächen: 6,5 Prozent werden für dieses Jahr erwartet, 3,2 Prozent dann 2024. Für 2024 seien eine leichte Erholung des Wachstums bei anhaltendem Rückgang der Inflation und stärkerer Nachfrage zu erwarten, heisst es im Bericht der EU-Kommission.
Besonders gebremst wird die Wirtschaftsentwicklung durch den Rückgang des BIP in Deutschland um 0,4 Prozent für 2023. Positiv sticht Spanien mit einem Zuwachs von 2,2 Prozent heraus, gefolgt von Frankreich mit plus einem Prozent und Italien mit 0,9 Prozent.
Die EZB hat für die EU den Leitzins am 14. September – nach einer Pause im August – wieder um 0,25 Punkte auf 4,5 Prozent angehoben.
Leitzinsen in den USA vorläufig nicht erhöht
Die US-Zentralbank Fed hat an ihrer Sitzung vom 20. September beschlossen, vorerst keine weitere Erhöhung durchzuführen. Der Leitzins bleibt damit bei 5,5 Prozent. Die Inflationsrate ist mittlerweile von 9,1 Prozent im Juni 2022 auf drei Prozent im Juni 2023 gefallen, im August aber wieder auf 3,7 Prozent (nach 3,2Prozent im Juli) angestiegen.
Beobachter zweifeln, ob die Fed-Entscheidung länger anhalten wird. Denn mit dem neuerlichen Anstieg liegt die Inflationsrate noch weit über den angestrebten zwei Prozent und scheint nicht nur wegen der gestiegenen Ölpreise nach oben zu gehen. Massive Lohnforderungen in einzelnen Branchen zeichnen sich nach Meinung von Experten als «strukturelle Preistreiber» ab.
Die OECD sagt für die Vereinigten Staaten für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent voraus, für 2024 werden nur noch 1,3 Prozent erwartet.
Die US-Notenbank Fed konnte den Leitzins beim letzten Entscheid auf gleicher Höhe belassen.
Anhaltende Abflüsse bei Gold-ETFs
Der Branchenverband World Gold Council (WGC) berichtete Anfang September über anhaltende Abflüsse bei Gold-ETFs, das sind Börsen-gehandelte Fonds und Zertifikate für Goldanleger. Vor allem Nordamerikanische Fonds aber auch solche in Europa melden Abflüsse, während in Asien Zuflüsse verzeichnet werden. Insgesamt seien dieses Jahr Gold-ETFs in der Höhe von 7,5 Mrd. Dollar abgeflossen, damit sei der Gesamtbestand um 130 Tonnen vermindert worden. Der im August schwächelnde Goldpreis wird als mögliche Erklärung für diese Abflüsse genannt. Kann die US-Notenbank Fed den Leitzins allerdings halten oder sogar wieder senken, dürfte das den Goldpreis stark beflügeln.
Gespannt darf man auf den nächsten Quartalsbericht des WGC Anfang November sein. Die Zentralbanken weltweit haben sich in letzter Zeit massiv mit Goldreserven eingedeckt. Es wird sich weisen, ob dieser Trend weiter anhält. Die Goldreserven der Zentralbanken haben mit Zukäufen von 48,41 Tonnen durch Polen im zweiten Quartal einen neuen Spitzenreiter gefunden, gefolgt von China mit 45,10 Tonnen, Tschechien mit 6,06 Tonnen und Russland mit 3,11 Tonnen, gefolgt von Singapur mit 2,94 Tonnen.
Zentralbanken können hinter Kulissen blicken und handeln so, dass man als einfacher Bürger meist nur erahnen kann, was dahinterstecken könnte. Eine der wichtigsten Eigenschaften, die man in der Wirtschaft mit sich bringen sollte, ist: Antizipation.
Ich wünsche Ihnen, dass auch Sie in dieser Woche vorausschauend agieren, um in Ihre eigene Zukunft zu investieren.
Mit goldenen Grüssen
Ihr Christian Brenner
Zum Autor
Christian Brenner, Geschäftsführer philoro SCHWEIZ AG
Christian Brenner hat Publizistik und Kommunikationswissenschaften studiert und ist seit 2017 Geschäftsführer des inhabergeführten Familienunternehmens philoro sowie Verwaltungsrat der philoro Global Trading, der philoro North America und der philoro International Holding. Zuvor hatte er 2011 bis 2019 als Geschäftsführer der philoro EDELMETALLE GmbH in Deutschland agiert. Er ist zudem als Gastdozent an der Universität St. Gallen (HSG) tätig und Mitglied mehrerer Handelsausschüsse der IHK.