Konnten die Zentralbanken mit ihrer Zinspolitik die Inflation ausbremsen? Ist das Schlimmste bereits überstanden?
Die Zentralbanken hatten auf die sich anbahnende Inflation zu spät reagiert und mussten umso härter eingreifen. Nachdem die Märkte lange Zeit durch Niedrigzinsen mit Geld geflutet wurden, folgte die rigorose Umkehr. Jetzt zeigt sich, welche Unternehmen nur dank den niedrigen Zinsen überleben konnten und welche fundamental auf eigenen Beinen stehen. Mit der konjunkturellen Abschwächung und der gleichzeitigen Inflation herrscht ein geldpolitisches Trilemma: Preisstabilität versus Finanzmarktstabilität versus Konjunkturstützung. Die Notenbanken befinden sich in der Zwickmühle. Experten wie die Autoren des bekannten Reports «In Gold We Trust» gehen davon aus, dass die Inflation in einzelnen Phasen weitergehen wird.
Aus Sicht von Christian Brenner von philoro könnte sich die Situation der Weltwirtschaft im nächsten Jahr verschlechtern und der Goldpreis ein Allzeithoch erklimmen.
philoro hat gemeinsam mit der Universität St. Gallen kürzlich eine umfassende Studie zum Thema Altgold durchgeführt. Verkaufen die Leute angesichts der anhaltenden Teuerung vermehrt ihr Altgold, um an Geld zu kommen?
In der Befragung von 2'633 Erwachsenen aus allen Sprachregionen der Schweiz zeigte sich, dass der Hauptgrund für den Verkauf von Goldschmuck die Überbrückung eines finanziellen Engpasses ist. Die Befragten nannten am häufigsten das «schnelle Geld» (35%), gefolgt von der Absicht, neuen Schmuck zu kaufen (15%) und dem Sparen für die Ferien (12%). Geld für eine Auto oder den Kauf Aktien oder einer Kapitalanlage machen bei den Verkaufsgründen nur je 9 Prozent aus. Bei philoro haben wir dieses Jahr im Bereich Altgold-Ankauf eine markante Umsatzzunahme wahrgenommen. Das ist eindeutig der aktuellen Teuerung geschuldet. Sie ist zwar in der Schweiz nicht ganz so ausgeprägt wie in vielen anderen Ländern, doch auch hierzulande schauen die Leute mehr auf das Portmonee und benötigen wieder mehr Liquidität.
Welche Auswirkungen haben die geopolitischen Unruhen auf den Goldpreis?
Kriege, Konflikte und andere Unruhen sorgen immer dafür, dass die Anleger beim Gold den sicheren Hafen suchen. Auch beim jüngsten Ausbruch des Nahost-Konflikts ist der Goldpreis sofort in die Höhe geschnellt. Es gibt mehrere Anzeichen dafür, dass die geopolitischen Spannungen zunehmen. Die Beziehungen zwischen den weltpolitischen Machtzentren sind zunehmend strapaziert. Es kommt zum Showdown zwischen dem «kollektivem Westen» mit den USA als unangefochtene Führungsmacht auf der einen Seite sowie China, Russland und der sich um diese beiden Schwergewichte formende Block auf der anderen Seite. Das Konglomerat der BRICS-Staaten will wachsen und sich vom US-Dollar als Weltwährung abkoppeln. Deshalb haben die Zentralbanken der BRICS-Staaten ihre Gold-Reserven massiv aufgestockt. Zu diesem Trend beigetragen haben die Sanktionen gegen Russland seit Ausbruch des Ukraine-Krieges.
Was sind Ihre Prognosen für die Entwicklung des Goldpreises im nächsten Jahr?
Weil der Goldpreis seit dem Ausbruch des Nahost-Konflikts rasant gestiegen ist, dürfte die Nachfrage nach Gold-Produkten wieder stärker zunehmen. Die gute Lage am Arbeitsmarkt und die anhaltende Nachfrage im privaten Konsum haben sich in der Schweiz zu einer Stütze der ansonsten schwächelnden Wirtschaft entwickelt. Allerdings wird befürchtet, dass sich 2024 die Situation auf dem Arbeitsmarkt eintrübt und die Konsumnachfrage nachlässt. Vor allem in den USA könnten die Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr zunehmen. Verschlechtert sich die wirtschaftliche Gesamtlage, sind die Notenbanken gezwungen, die Zinsen zu senken, was umgekehrt den Goldpreis beflügelt. Die rekordhohen Gold-Käufe vieler Nationalbanken stärken den Goldpreis zusätzlich. Die geopolitischen Unruhen gepaart mit der wirtschaftlich angespannten Lage sorgen für ein Umfeld, das den Goldpreis im nächsten Jahr zu einem neuen Allzeithoch bewegen könnte.
Zum Interviewpartner
Christian Brenner, Geschäftsführer philoro SCHWEIZ AG
Christian Brenner hat Publizistik und Kommunikationswissenschaften studiert und ist seit 2017 Geschäftsführer des inhabergeführten Familienunternehmens philoro sowie Verwaltungsrat der philoro Global Trading, der philoro North America und der philoro International Holding. Zuvor hatte er 2011 bis 2019 als Geschäftsführer der philoro EDELMETALLE GmbH in Deutschland agiert. Er ist zudem als Gastdozent an der Universität St. Gallen (HSG) tätig und Mitglied mehrerer Handelsausschüsse der IHK.