Wirtschaftlich scheinen weltweit erste Aufhellungen sehen zu sein: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD sagt in ihrem Anfang Mai veröffentlichten Quartalsbericht weltweit ein stabiles Wirtschaftswachstum von 3,1 Prozent (wie im Vorjahr) voraus. Die Inflation sollte demnach bei 3,4 Prozent verharren. In der Euro-Zone schwächelt das Wachstum des BIP mit prophezeiten 0,7 Prozent 2024 noch, für 2025 erwartet man 1,5 Prozent Wachstum. Die Inflationsrate sollte laut dieser Studie im Euro-Raum bei 2,3 Prozent (nach 5,4% im Vorjahr) liegen, in den USA erwartet die OECD 2,45 Prozent Preisauftrieb.
Die Inflationsrate im Euro-Raum wird dieses Jahr bei 2,3 Prozent liegen, heisst es im Bericht der OECD
Zu der von vielen erhofften Senkung der Leitzinsen ist es im Mai in Europa nur in Tschechien und Schweden gekommen, die Europäische Zentralbank und die Federal Reserve Bank in den USA warten offensichtlich auf einen weiteren Rückgang der Inflationsraten.
Schweiz mit schwacher Entwicklung in der Industrie
Erstmals hat das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO am 16. Mai eine Schnellschätzung («Flash-BIP») für das Bruttoinlandsprodukt im vorausliegenden 1. Quartal veröffentlicht. Demnach ist die Wirtschaftsleistung der Schweiz in den ersten drei Monaten 2024 um 0,2 gestiegen. «Einem Wachstum vom Dienstleistungssektor steht eine schwache Entwicklung der Industrie gegenüber», heisst es dazu in der Medienmitteilung des SECO.
Laut OECD belasten mehrere Faktoren die privaten Investitionen und die Exporte in der Schweiz.
Auch der neueste OECD-Bericht klingt noch nicht sehr optimistisch: Für dieses Jahr wird der Schweizer Wirtschaft ein Wachstum von 1,1 Prozent vorausgesagt, 2025 sollten es dann 1,4 Prozent sein. Der schwächere Welthandel und die restriktiven monetären Bedingungen werden, so heisst es in dem Bericht, die privaten Investitionen und Exporte belasten. Die Inflation wird gegen Jahresende wegen Miet- und Strompreiserhöhungen vorübergehend wieder ansteigen, sollte aber im Preisband unter 2 Prozent bleiben.
In der Schweiz sind die Konsumentenpreise im April wieder leicht angestiegen.
Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert die Situation der Inflationsbekämpfung als «Stochern im Nebel» und zeigt sich abwartend, was die vorausgesagte Beibehaltung der geringen Inflationsrate trifft. Zweifel meldet man an der «vorzeitigen» Senkung der Leitzinsen der Nationalbank an und meint, dass man im Gegensatz etwa zu den Vereinigten Staaten grössere Aufmerksamkeit auf den Kurs des Schweizer Franken lenken müsste.
Der am 2. Mai veröffentlichte Landesindex der Konsumentenpreise meldet für die Schweiz im April um 0,3 Prozent gestiegene Konsumentenpreise. Gegenüber dem Vorjahr beträgt die Steigerung von April zu April +1,4 Prozent. Die Wohnungsmieten in der Schweiz sind im ersten Quartal gegenüber dem letzten Jahr um 6,3 Prozent gestiegen, betont Raiffeisen Schweiz in einem jüngsten Bericht. Diese Wachstumsrate sei die bisher höchste des aus 1996 stammenden Indexes. Als Hauptursache wird das knappe Angebot an Wohnungen gedeutet.
Gemäss der Raiffeisen Bank sind die Wohnungsmietenin der Schweiz im ersten Quartal rekordhoch angestiegen.
Inflation in der EU gebremst – Wirtschaft schwächelt weiterhin
Der grosse Durchbruch zur Überwindung der Schwächeperiode der Volkswirtschaften in der EU scheint noch nicht gelungen zu sein. Aber es gibt erste positive Signale: Das Bruttoinlandsprodukt ist in der EU und im Euro-Raum in den ersten drei Monaten des Jahres gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent gestiegen, hat das Amt für EU-Statistik eurostat am 16. Mai bekanntgegeben. Im vierten Quartal 2023 war das BIP im Euro-Raum noch um -0,1 Prozent zurückgegangen.
Die OECD erwartet für das Gesamtjahr 2024 jetzt nur noch eine Steigerung der Wirtschaftsleistung im Euro-Raum von 0,7 Prozent (nach noch 1,1% im Herbst). 2025 sollte dann das BIP wieder um 1,5 Prozent zunehmen, getragen von der gestiegenen Inlandsnachfrage. In seiner Gesamtzusammenfassung hält der OECD-Bericht fest, dass «die Wirtschaft im Euro-Raum trotz erhöhter geopolitischer Unsicherheit robust» bleibe.
Aus Sicht der Europäischen Zentralbank EZB haben sich die Bedingungen im Euro-Raum verbessert, doch sind die Märkte weiterhin möglichen Risken ausgesetzt.
Die Inflation verlangsamte sich laut eurostat im März und April in der EU auf 2,6 Prozent nach 8,1 Prozent 2023. Für den Euro-Raum liegt der aktuelle Wert bei 2,4 Prozent gegenüber 7,0 Prozent im Vorjahr. Dienstleistungen, Lebensmittel, Alkohol und Tabak sowie Industriegüter ohne Energie sind die wichtigsten Preisauftriebselemente, Energie hat sogar etwas abgenommen.
Die Inflation in Europa ist zwar deutlich zurück gegangen, hat aber die 2-Prozent-Marke noch nicht erreicht.
Die Europäische Zentralbank EZB stellt in ihrem jüngsten Statement (16. Mai) fest, dass die «Anfälligkeiten für Finanzstabilität» abgenommen hätten, die Aussichten aber «weiter fragil» seien. Zwar hätten sich die Bedingungen im Euro-Raum verbessert, aber die Märkte seien, trotz abnehmender Rezessionsrisiken, weiterhin möglichen Risken ausgesetzt. Negativ wirke sich der Abschwung am Immobilienmarkt aus, aber Regierungen und Unternehmen seien weiter durch die angespannten finanziellen Bedingungen unter Druck gesetzt.
USA mit moderatem Wirtschaftswachstum im ersten Quartal
Nach einem recht positiv abgeschlossenen vierten Quartal 2023 verlief die Entwicklung der Volkswirtschaft der Vereinigten Staaten im ersten Quartal 2024 eher moderat. Das Bureau of Economic Analysis meldet ein «deutlich abgeschwächtes» Wirtschaftswachstum. Das heisst nur noch 0,4 Prozent Wachstum im ersten Quartal, nach 0,8 Prozent im letzten Quartal. Erklärt wird dies mit einer Verlangsamung der Verbraucherausgaben, der Exporte und Rückgängen bei den Ausgaben der staatlichen Institutionen.
Im April lagen die Verbraucherpreise in den USA um 3,4 Prozent höher als im Vorjahresmonat.
Die OECD hatte im Herbst für 2024 ein BIP-Wachstum für die USA von 1,3 Prozent vorausgesagt, in ihrer Frühjahrsprognose erwartet sie jetzt hingegen ein Wachstum von 2,6 Prozent, der Internationale Währungsfonds liegt mit erwarteten 2,7 Prozent Wachstum noch besser.
Der Wunsch des Federal Reserve Boards nach einem Senken der Inflationsrate auf 2 Prozent wird wohl nicht ganz zu schaffen sein: Der IWF sieht die USA heuer bei 2,9 Prozent Inflation, auch die OECD liegt bei 2,6 Prozent Voraussage.
Im April sind die Verbraucherpreise in den USA um 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat höher gelegen und nur knapp unter den 3,5 Prozent des Wertes im März. Experten hatten sogar für April einen noch etwas höheren Wert erwartet.
Die US-Notenbank Fed befindet sich weiterhin im Kampf gegen die Inflation. Eine Senkung der Leitzinsen könnte sich verzögern.
Gespannt blickt man nun auf die nächste Board Sitzung der US-Notenbank Fed. Erst am 11./12. Juni wird feststehen, ob es in den USA zur Leitzinsensenkung kommen wird. Das Statement von Notenbankchef Jerome Powell nach der letzten Sitzung am 1. Mai lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass die Fed die Notwendigkeit erwäge, die Leitzinsen länger höher zu halten. Interpreten deuten das als vorsichtiges Anzeichen auf eine mögliche Verschiebung der erwarteten ersten Senkung der Leitzinsen auf das Board Meeting am 17./18. September. Man habe raschere Fortschritte bei der restriktiven Geldpolitik erwartet, sagte Powell und verwies auf die Möglichkeit, die derzeitige Politik der hohen Zinsen «einfach länger beizubehalten».
US-Notenbankchef Jerome Powell hatte eine raschere Wirkung seiner restriktiven Geldpolitik erwartet.
Auch der Arbeitsmarkt setzt keine Signale in positive Richtung. Nach Mitteilung des Arbeitsministeriums ist die Arbeitslosenquote mit 3,9 Prozent im April um 0,1 Prozent über den 3,8 Prozent des Vormonats gelegen. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen wird mit 3,8 Millionen angegeben.
Mehrere Faktoren sorgen für anhaltende Goldpreis-Rallye
Obwohl die Zinssenkung in den USA auf sich warten lässt, hält die Goldpreis-Rallye weiter an. Der Goldpreis lag Anfang Juni bei 2'087.18 Franken pro Feinunze (4. Juni, mittags). Im 3-Monatsrückblick zeigt sich eine stolze Performance von +12,5 Prozent. Experten suchen verschiedene Erklärungen über das Phänomen dieses nicht allseits erwarteten Kursanstieges bei Gold. Da sind einmal die Zukäufe von Zentralbanken. Die Türkei hat im ersten Quartal 2024 mit 30,12 Tonnen die grössten Zukäufe getätigt, gefolgt von der Volksrepublik China mit 27,06 Tonnen. Indien hat 18,51 Tonnen zugekauft, Kasachstan 16,39 Tonnen und Singapore 6,57 Tonnen.
Gold ist in Zeiten wirtschaftlicher und geopolitischer Unsicherheiten ein beliebtes Anlage-Produkt.
Zweiter wichtiger Betrachtungspunkt ist die Nachfrage der Industrie nach Edelmetallen. Gold ist neben der Schmuckherstellung ein wichtiger Bestandteil hochwertiger elektronischer Industrieprodukte. Die wieder anspringende chinesische Industrie ist ein grosser Nachfrager aller Edelmetalle und wird dies, gesteigert durch seine forcierten Investments im Bereich der E-Mobilität, wohl auch weiter ausbauen.
Ein weiteres Element der Goldnachfrage könnte die gestiegene Nachfrage chinesischer Privatanleger sein. Da die traditionelle Anlageform der Immobilien in China sich in einer schweren Krise befindet und Auslandsinvestitionen staatlich genau überwacht werden, ist der Kauf von Gold eine mögliche Alternative.
Mangels Alternativen investieren chinesische Privatanleger derzeit in grossem Ausmass in Gold.
Nach vielen Monaten der Abflüsse melden jetzt die grossen ETFs in den Bereichen Gold und Silber, wohl getragen von den Rekordpreisen an den Warenbörsen, wieder Zuflüsse.
Apropos Silber. Silber ist ein Schwermetall und zählt zu den Übergangsmetallen, das chemische Symbol ist Ag. Es wurde schon in der Antike verarbeitet und war zu manchen Zeiten begehrter und wertvoller als Gold. Im Mittelalter stammte das meiste Silber aus Schwaz in Tirol, später wurden grosse Mengen aus Lateinamerika nach Europa gebracht. So leitete sich der Landesname Argentiniens aus der lateinischen Bezeichnung für Silber – argentum – ab und stammt aus der spanischen Kolonialzeit, als man hier Edelmetalle zu finden hoffte.
Ich wünsche Ihnen in dieser Woche, dass Sie nicht hoffen müssen, zu finden, sondern das erhalten, was Sie sich wünschen!
Mit goldenen Grüssen
Christian Brenner
Zum Autor
Christian Brenner, Geschäftsführer philoro SCHWEIZ AG
Christian Brenner hat Publizistik und Kommunikationswissenschaften studiert und ist seit 2017 Geschäftsführer des inhabergeführten Familienunternehmens philoro sowie Verwaltungsrat der philoro Global Trading, der philoro North America und der philoro International Holding. Zuvor hatte er 2011 bis 2019 als Geschäftsführer der philoro EDELMETALLE GmbH in Deutschland agiert. Er ist zudem als Gastdozent an der Universität St. Gallen (HSG) tätig und Mitglied mehrerer Handelsausschüsse der IHK.